Die Bäckerei Schmucker

verfasst von Rosi und Walter A. Schaupp

In einer alten Urkunde des Katasteramts von 1839/40 ist bereits ein Anton Schmucker als Bäcker am Lammberg, benannt nach der ehemaligen Wirtschaft „Zum Lamm“ unterhalb neben dem Hörgeräteakustiker, beim Mesnerhaus erwähnt. Im Güterbuch von 1874 erscheint ein Bäcker Joseph Schmucker als „einer von 26 Brodbäckern“. Man beachte: Ehingen hatte 1871 gerade mal 3.547 Einwohner, doch 1880 immerhin schon 4.065 Bewohner.

Am 12. Januar 1909 erhält Joseph Schmucker, geboren am 17. September 1871, seit 16.2.1906 als Gewerbetreibender angemeldet, die „Befugnis zur Ausbildung von Lehrlingen im Bäckerhandwerk“. Ein dreiseitiges Wertgutachten vom 21.10.1930, im Original erhalten, beziffert den Wert des Hauses am Lammberg von Bäckermeister Josef Schmucker mit 13.500 Reichsmark. Die Gebühren für die Schätzung betragen: 11 Reichsmark 70 Pfennig für die Schätzung durch den Gemeinderat, 1 Reichsmark 20 Pfennig als Gebühr für die 4 Seiten des Gutachtens, je 30 Pfennig pro Seite des Gutachtens.

Aus dem gleichen Jahrzehnt ist der Gewerbesteuerbescheid in diesem heutigen Hause Rothmund, erhalten. 19 Reichsmark 20 Pfennig wurden festgesetzt, als Vorauszahlung für das Folgejahr wurden 4,80 RM veranschlagt.

Erhalten ist auch eine Bescheinigung von 1945 für die „Berechtigung zum Bezug von Hefe“ für die Bäckerinnung Ehingen. Das in Ehingen bekannteste Mitglied der Familie ist sicher Hilda Schmucker, besser bekannt als die „Schmucker-Becke“. 1906 geboren wuchs sie im Elternhaus in der Bäckerei am Lammberg auf. Am 23. Juli 1918 erhielt sie eine wunderschöne Urkunde des Königl. Gymnasiums in Ehingen für ihren Fleiß und ihr Wohlverhalten. Wegen des Kriegsjahres 1917/ 18 wurde ihr eine Urkunde als Belobung überreicht, anstelle eines Preises. 

Ehingen wurde der jungen Hilda Schmucker bald zu eng, sie träumte von England und eines Morgens war sie verschwunden, abgereist nach England, ohne ein Wort der fremden Sprache zu kennen und ohne eine Anlaufstelle in London. Mit 2 Mark in der Tasche kam sie schließlich im Land ihrer Träume an. Die Familie mutmaßte zwar den Kurs, den Hilda genommen hatte, aber es dauerte noch Monate, bis sie sich zu Hause meldete.

Hilda Schmucker 1970

Bäckerei Schmucker vor 1962
Bäckerei Schmucker vor 1962

Von 1930 bis 1937, sieben Jahre lang, war sie in England als Hausdame tätig. Als ihre Mutter starb, musste Hilda ihre Zelte in England abbrechen und zu Hause helfen. Als ihr Vater 1941 starb und 1944 der Bruder in Russland vermisst wurde, übernahm die „Becke“ den kleinen Laden in der Hauptstraße. Anfangs stand sie noch selber in der Backstube, später schaffte sie das nicht mehr und bezog von anderen Bäckereien ihre Waren, die sie dann anbot. Älteren Ehingern ist ihre Hinterstube noch in Erinnerung, dort konnte man eine einzelne Zigarette kaufen und auch gleich paffen. Noch in den 1970er Jahren verkaufte sie die Zigaretten einzeln, sicher als einziges Geschäft in Ehingen. Auch Süßigkeiten bot die „Becke“ an, „Ziggerla“ und Schokolade, Waffelbruch und Mohrenköpfe. 1977 schloss der kleine Laden — von vielen Ehingern, ob Jung oder Alt‚ schmerzlich vermisst.

Die „Schmucker-Becke“ war eine Institution in Ehingen, viele Anekdoten und Anekdötchen über sie sind im Umlauf. Sicher ist, dass sie nie ein Blatt vor den Mund nahm und „denen da oben“ ab und zu gehörig auf ihre Art den Marsch blies. Ob’s um die Ringstraße ging oder den Marktplatz, sie meldete sich immer zu Wort. Zu Weihnachten zeichnete sie die ihrer Meinung nach verdienten Ehinger immer mit dem „Springerles Orden“ aus. Selbstgebacken selbstverständlich.

Eine andere Anekdote von der „Schmucker-Becke“ ist von ihrem Neffen Rolf Rothmund überliefert: Als die „Becke“ Anfang der 197oer Jahre zur sonntäglichen Einkehr in der „Sonne“ in Ehingen saß, trug sie einen eleganten Hut, aus ihrem geliebten England einst mitgebracht. Wegen der auffälligen Aufmachung des Hutes, der wie ein Vogelnest aussah, unterhielten sich am Nebentisch „junge Spunte“, wohl Gymnasiasten, in ziemlich despektierlicher Art und Weise in Englisch über die Dame neben ihnen. Sie hofften wohl, dass die Person, über die sie so lange und ausführlich tratschten, dieses Idiom nicht verstand. Die „Becke“ ließ sie schwätzen und beendete ihr Mittagessen. Dann stand sie auf, nahm ihren Stockregenschirm von der Garderobe und zeigte in Richtung der jugendlichen Schwätzer. Sie verabschiedete sich dann in lupenreinem Englisch von den verdatterten Gästen und anschließend brachte sie das Ganze noch im besten schwäbischen Dialekt vor, so dass die sonstigen Gäste in der gut gefüllten Gaststätte alle wussten, was da abgegangen war. Jedenfalls sollen die Jugendlichen nicht mehr sonntags in der „Sonne“ gesehen worden sein, die „Schmucker-Becke“ aber sehr wohl. Ja, so war sie halt.

Mit 73 Jahren erlitt sie einen Herzinfarkt, kam ins Krankenhaus, wo dann auch das Personal vom Temperament der Hilda Schmucker ein Lied singen konnte. Nach einem Schlaganfall wurde die lebhafte Ehingerin pflegebedürftig und verstarb 1992.


Bäckerei Schmucker heute

  • Dauerausstellung

    Schätze aus dem Museum Ehingen

    Wie vor einigen Jahren anlässlich des Internationalen Tages der Museen zu sehen war, verfügt das Museum Ehingen in seinen Magazinen über umfangreiche Sammlungen, die nicht in der Dauerausstellung zu sehen sind. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bemühen sich ständig, weitere Objekte zu erwerben, die für Geschichte und Entwicklung der Stadt und der Region wichtig sind. Großzügige Schenkungen und Stiftungen aus der Bürgerschaft tragen immer wieder maßgeblich zur Ergänzung der Sammlungsbestände bei.

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  • Bücherübergabe an Schulen

    Die Museumsgesellschaft Ehingen hat es sich zur Aufgabe gemacht, über historische Ereignisse und Zusammenhänge aufzuklären. Dazu gehört das von Dr. Rak verfasste und von der Museumsgesellschaft herausgegebene Buch „Nationalsozialismus in Ehingen“.

    Insbesondere jungen Menschen soll gezeigt werden – und das gerade in der heutigen Zeit – wie totalitäre Regierungen die Menschen mit ihren Ideologien und Geschichtsverfälschungen überziehen. Ehingen wurde auch davon nicht verschont. Das zeigt Dr. Rak in seinem Buch verständlich und anschaulich auf.

    Aus diesem Grunde hat sich die Museumsgesellschaft Ehingen entschlossen, den Schulen in Ehingen einen Klassensatz des Buches und Lehrerexemplare für den Unterricht zur Verfügung zu stellen. Die Museumsgesellschaft Ehingen verfolgt damit das Ziel, die im Grundgesetz verankerten demokratischen Werte ins Bewusstsein zu bringen.

  • Eine Bauaufnahme von 1975

    Herr Reinhold Ege war bereit, uns die beeindruckende schriftliche Ausarbeitung 

    „Der Spital zum Heiligen Geist in Ehingen (Donau)“

    Eine Bauaufnahme von Hr. Reinhold Ege / 1975 

    für das Archiv zur Verfügung zu stellen.

    Wir bedanken uns herzlichst bei
    Herrn Reinhold Ege 

  • „...denn man sieht nur, was man weiß“

    Herr Reinhold Ege war bereit, uns die schriftliche Ausarbeitung seines interessanten und lehrreichen Vortrages

    „...denn man sieht nur, was man weiß“ **

    ** Johann Wolfgang von Goethe in einem Brief an Friedrich von Müller,1819

    für das Archiv zur Verfügung zu stellen.

    Wir bedanken uns herzlichst bei
    Herrn Reinhold Ege

  • Die Tiersammlung aus dem Schloss Oberdischingen

    1891 schenkte der damalige Besitzer des Rittergutes Friedrich Kaulla (1807 – 1895) die aus 30 bis 35 Kästen bestehende Sammlung an das Gymnasium Ehingen. Später gelangte sie an den Bezirksaltertumsverein. Ursprünglich umfasste sie neben den noch vorhandenen Vögeln, Vogeleier und Säugetieren auch Käfer und Schmetterlinge...
     
     
  • Der alte und neue Vorstand nach
    den Wahlen am 31.03.2023

     

    Die Museumsgesellschaft bedankt sich bei den ausscheidenden Vorstandsmitgliedern sowie bei der Kassenprüferin Fr. Inge Clement für ihre geleistete Arbeit und begrüßt die neuen Vorstandsmitglieder recht herzlich.

     

  • Dankschreiben

    Herr Jürgen Wicker, Schulleiter der Franz- von- Sales- Jungenrealschule in Ehingen, hat sich für die Spende eines Klassensatzes des Buches „Nationalsozialismus in Ehingen“ mit diesem Schreiben bei der Museumsgesellschaft bedankt.